Bremsflüssigkeiten
Inhaltsverzeichnis
Unterscheidungsmerkmale
Für den Einsatz in Fahrzeugen sind vier verschiedene Werte wesentlich:
- Temperaturbeständigkeit (Siedepunkt)
- Kompressibilität
- Wasseraufnahmevermögen
- Beständigkeit von Dichtungen und Bremssattelwerkstoffen
In dieser Datei sind im ersten Tabellenblatt die verschiedenen Normen und im zweiten Tabellenblatt ein Überblick über die technischen Daten verschiedener Bremsflüssigkeiten aufgeführt.
DOT 4 und DOT 5.1
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden immer noch die veralteten DOT-Bezeichnungen verwendet, die nicht mehr gültig sind. Die aktuellen Normen sind ISO 4925 und FMVSS 116. Im Handel findet man heute meistens DOT-4- und DOT-5.1-Bremsflüssigkeiten, bzw. deren Entsprechungen in neueren Normen.
Der wesentliche Unterschied dieser beiden Sorten ist die Viskosität: DOT 4 ist erheblich zähflüssiger als DOT 5.1. Eine hohe Viskosität bedeutet ein schlechteres Regelverhalten von ABS-Systemen aber eine geringere Kompressibilität also einen stabileren Druckpunkt.
Siedepunkt
DOT 4 setzt einen geringeren Mindestsiedepunkt voraus als DOT 5.1. Es gibt jedoch DOT-4-Bremsflüssigkeiten, die mit über 300 °C einen deutlich höheren Siedepunkt haben als DOT-5.1-Bremsflüssigkeiten. Solche Bremsflüssigkeiten werden oft als "Racing Brake Fluids" (RBF) bezeichnet.
Der Siedepunkt sollte im Bremsbetrieb nie überschritten werden, da dann mindestens ein Teil der Bremsflüssigkeit gasförmig ist. Gase sind leicht komprimierbar, Flüssigkeiten nur in sehr geringem Maß. Bei Überschreiten des Siedepunkts kann praktisch kein nennenswerter Bremsdruck aufgebaut werden: Das Bremspedal "fällt durch", bzw. der Bremshebel lässt sich ohne große Kraftanstrengung bis zum Lenker durchziehen.
Der Siedepunkt wird in erheblichem Maß vom Wasseranteil in der Bremse bestimmt. Liegt Wasser in flüssiger Form in der Bremsanlage vor, sinkt der Siedepunkt auf 100 °C!
Damit der Siedepunkt bei Eintritt von Wasser nicht sofort auf 100 °C fällt, basieren DOT-4- und DOT-5.1-Bremsflüssigkeiten auf Glycolether (ähnlich Alkoholen). Darin kann sich Wasser lösen und der Siedepunkt fällt mit zunehmendem Wassergehalt nahezu linear.
Das Wasseraufnahmevermögen ist auch von der Temperatur abhängig, je höher die Temperatur, desto mehr Wasser kann gebunden werden. Misst man den Siedepunkt der Bremsflüssigkeit, ist die Verteilung innerhalb der Anlage nicht gleichmäßig: Im Bremssattel wird die Temperatur höher und damit auch mehr Wasser gebunden als im Hauptbremszylinder. Um aussagekräftige Werte über den Wassergehalt zu erhalten, sollte daher eine Probe nicht aus dem Vorratsbehälter entnommen werden, sondern aus dem Bremssattel. Nur nach längerer Standzeit kann der Wassergehalt im Vorratsbehälter höher sein als im Bremssattel, weil Wasser in Form von Wasserdampf über die Belüftungsbohrung des Ausgleichbehälters in das System gelangen kann.
DOT 5 Silikonbremsflüssigkeit
Außer den genannten DOT-Klassen sind noch DOT-5-Bremsflüssigkeiten erhältlich. Diese sind nicht mit anderen Bremsflüssigkeitsklassen mischbar, weil sie auf Öl (Silikonöl) basieren. Ursprünglich wurden diese Silikonbremsflüssigkeiten für die US-Armee entwickelt, die nach langen Standzeiten eingelagerter Fahrzeuge Korrosionsschäden in der Bremsanlage hatten. Öl ist mit Wasser nicht mischbar und hat eine geringere Dichte als Wasser. Bildet sich Kondenswasser im System, setzt es sich an der tiefsten Stelle, dem Bremssattel, ab. Der Siedepunkt liegt dann auch nur bei 100 °C, die schon im Normalbetrieb im Sattel entstehen können.
Weil es dadurch zu einigen tödlichen Unfällen infolge des Bremsversagens kam, gab es 1992 eine Untersuchung der US-Army (USA-BRDEC-TR / 2505) und die Bremsanlagen wurden wieder mit DOT-4-Bremsflüssigkeit ausgerüstet. Dafür müssen alle Dichtungen im System ausgetauscht werden, weil Dichtungsmaterialien, die gegenüber Silikonölen beständig sind, nicht gegenüber Glycol-basierenden Flüssigkeiten ausreichend beständig sind und umgekehrt.
Ein weiterer Nachteil von DOT-5-Bremsflüssigkeiten ist das höhere Lösungsvermögen von Luft. Luft kann in Flüssigkeiten als Luftblase oder chemisch gebunden vorhanden sein. Je höher die Temperatur und der Druck sind, desto mehr Luft kann in der Flüssigkeit gebunden werden. Liegt die Luft als Luftblase vor, ist die Kompressibilität erheblich geringer als beim Vorhandensein von chemisch gebundener Luft. Aber mit steigendem Anteil chemisch gebundener Luft steigt die Kompressibilität.
Heute wird manchmal besonders im Oldtimerbereich die Verwendung von DOT-5-Bremsflüssigkeit empfohlen, weil es auch bei längerer Standzeit kein Wasser aufnimmt. Wie oben ausgeführt, ist das aus technischer Sicht nicht sinnvoll! Neben dem Absetzen des Kondenswassers im Bremssattel hat DOT-5-Bremsflüssigkeit noch einen Nachteil gegenüber DOT 3, DOT 4 und DOT 5.1: Es ist wesentlich kompressibler, der Druckpunkt wird daher schlechter.
DOT 3
DOT-3-Bremsflüssigkeiten sind heute sehr selten erhältlich. Sie werden für Fahrzeuge mit Magnesium-Bremssätteln vorgeschrieben, da Bestandteile der DOT-4- und DOT-5.1-Bremsflüssigkeiten Magnesium angreifen.
Einsatzempfehlung
Manchmal ist auch die Rede von DOT 6. Diese Norm hat es aber nie gegeben. Tatsächlich handelt es sich dabei um Bremsflüssigkeiten nach ISO 4925 Class 6. Diese Bremsflüssigkeiten haben oft die Zusatzbezeichnung LV (Low Viscosity) oder SL ( Superlow Viscosity). Im Pkw-Bereich gibt es mittlerweile viele Anlagen, für die diese Bremsflüssigkeiten vorgeschrieben sind, weil nur damit die dort verwendeten ABS und ESC-Systeme mit ihren relativ hohen Regelfrequenzen auch bei sehr niedrigen Temperaturen ausreichend gut funktionieren. Im reinen Sommer- oder Rennbetrieb können hier DOT-4- oder DOT-5.1-Bremsflüssigkeiten aufgrund des besseren Druckpunkts eine Alternative sein, weil die Viskositätsunterschiede bei Temperaturen über 20° C geringer sind als bei sehr tiefen Temperaturen. Für Fahrzeuge ohne ABS ist eine hochviskose DOT-4-Bremsflüssigkeit mit hohem Siedepunkt (> 280 °C) immer die beste Wahl.
Wechselintervall
Für den Wechsel der Bremsflüssigkeit lassen sich keine allgemeinen Empfehlungen geben. Fahrzeughersteller schreiben meistens ein zweijähriges Wechselintervall vor. Hersteller von Bremsflüssigkeiten empfehlen einen Wechsel spätestens bei 3 % Wassergehalt, was meistens erst nach sehr viel längerer Zeit erreicht wird. Bei Motorrädern ist häufig die Verschmutzung der Bremsflüssigkeit durch Abrieb der Dichtungen so stark, dass schon ein kürzeres Wechselintervall als alle zwei Jahre sinnvoll sein kann. Die Verschmutzung ist durch eine deutliche Schwarzfärbung der Bremsflüssigkeit erkennbar und kann zu einem Zusetzen der Ausgleichsbohrung (ca. 0,5-1 mm) im Hauptbremszylinder führen. Dies tritt häufig in der Hinterradbremse auf.
Es wird sehr oft behauptet, dass sogenannte Rennbremsflüssigkeiten in wesentlich kürzeren Intervallen gewechselt werden müssen, weil deren Hygroskopizität höher ist. Tatsächlich ist die Hygroskopizität von DOT-4- und DOT-5.1-Bremsflüssigkeiten durch den Borsäureester-Anteil höher als die von DOT-3-Flüssigkeiten. Der Unterschied innerhalb der DOT-4-Bremsflüssigkeiten ist aber vermutlich gering und wird durch den höheren Trocken- und Nasssiedepunkt mehr als ausgeglichen, so dass sich für diese Bremsflüssigkeiten eher längere Wechselintervalle ergeben.
Im Rennbetrieb wird oft schon nach einem Rennen (inklusive Training) gewechselt. Der Grund liegt hier aber nicht in der Wasser- sondern der Luftaufnahme der Flüssigkeit, die durch Vibrationen (Durchmischung), hohe Temperaturen und Drücke erhöht wird. Die gelöste Luft fällt nach einiger Zeit in Ruhe bei niedrigeren Temperaturen und Drücken wieder aus und kann dann in Form von Luftblasen innerhalb des Systems vorhanden sein. Ein Wechsel der Flüssigkeit wäre dann nicht erforderlich sondern nur ein Entlüften. Das kommt aber einem Wechsel praktisch gleich.